Osamas Sieg

Ich muss leider feststellen, dass Osama bin Laden, so tot er sein mag, siegreich war. Er hat es tatsächlich geschafft unsere rechtsstaatliche Ordnung zu stören, und mittlerweile nach und nach zu zerstören. Erfolgreich. Daher herzlichen Glückwunsch. War nicht fair gespielt, aber effektiv.

 

Und an uns, das vermeintliche Team Freiheit und Rechtsstaat: Erbärmliche Performance. Armseelig und unwürdig. Und da vermutlich noch niemand so richtig weiß, worauf ich hinaus will, fange ich von vorne an.

Die Kernidee des Terrorismus ist nicht die maximale Vernichtung von Menschen. Nicht die direkte Zerstörung, nicht das direkte Wegbomben. Es geht um möglichst medienwirksame Anschläge, die eben Angst erzeugen. Und diese Angst zersetzt die Grundgfesten der Gesellschaft. Das Gift des Terror ist ein Gefühl von Unsicherheit. Da reicht ein Laster auf einem Weihnachtsmarkt, wenn man keine Piloten mehr hat. Da reicht im Zweifel ein bekacktes Küchenmesser. Die Asymmetrie ist signifikant. Es können Trilliarden Euros als Drohnen in der Luft fliegen, als Waffen und Polizisten auf der Strasse stehen und als Bots das Netz durchforsten. Und doch kann die andere Seite mit einer Klinge für weniger als 10€ den Sieg davon tragen. Warum? Und wie komme ich überhaupt darauf, dass es gelungen ist?

 

Schaut euch um. Das bayrische und niedersächsische Polizeigesetz sind milde gesprochen extrem. Sie sind darauf ausgelegt einen direkten Konflikt mit der Verfassung zu provozieren. Mit dem Ziel die Berechtigungen der Exekutive auszubauen. 70 Tage Haft auf Verdacht. Gerade kommt eine deutsch-türkische Gefangene frei, wo wir edlen Deutschen uns arrogant im Lichte des Rechtsstaates sonnen und erfreuen, dass anlasslose Haft ja gar nicht geht. Und auf der anderen Seite bauen unsere Abgeordneten im Land- und Bundestag solche Gesetze.  Wie geht das zusammen?

Und wer überwacht die Überwacher? Wer garantiert denn, dass die Vermutung, dass man Gefährder ist auch irgendwie fundiert wird? Wie? Welche Ermittlungsergebnisse machen einen zum Gefährder? Ich für meinen Teil wäre dann vermutlich auch einer. Immerhin habe ich die heimliche Phantasie mit Hilfe des Artikel 146 GG uns eine neue und zeitgemäße Verfassung zu verpassen. Also ja, ich wäre in der paradoxen Situation im Rahmen des Grundgesetzes gegen das Grundgesetz zu sein. Wobei ich im Gegensatz zu Söder, Seehofer, Lindner und Nahles die Menschen- und Bürgerrechte lieber verbessern als beschneiden will. Dennoch, was passiert, wenn ich jemals #Projekt146 wirklich umsetzen will? Bin ich dann ein Gefährder? Stehe ich auf solchen Listen? Werde ich verhaftet, 70 Tage eingesperrt. Vielleicht mehrfach hintereinander?

Was ist aus dem NSU-Komplex geworden. Ein vollständiges, wenn auch voneinander unabhängiges Versagen auf jeder Ebene des Verfassungsschutz. Reaktion: Bestürzung. Ende. Keine Veränderungen. Keine Maßnahmen. Nichts weiter.

 

Unsere Exekutive dreht einfach gerade völlig frei. Siehe Fussballfans, auf die Anti-Terrorgesetze angewendet werden. Oder siehe das ZDF-Team in Dresden. Der eigentliche Skandal ist dabei nicht die Aufnahme der Personalien. Der Skandal ist, dass das 45min in Anspruch genommen haben soll? Mit Presseausweis und allem drum und dran würde ich sowas in unter 3min abgearbeitet haben wollen.

Siehe Sami A. oder die Ermittlungen gegen die Bundespolizei im Hannover Hbf. Es geschieht nichts. Die Polizei dreht frei, der Innenminister von Sachsen hält es für angebracht sich lieber vor seine Beamten zu stellen. Nicht vor die Bürger. Nicht vor das Grundgesetz. Vor seine Beamten. Was zur Hölle…

 

Und deswegen hat eben Osama gewonnen. Er hat es geschafft unsere Geilheit nach Blut, Tod und Terror gegen uns zu verwenden. Die Presse, die wie besessen nach neuen Dimensionen suchte, die in den Exzessen des IS gefunden wurden. Die Angst, der Terror, ist omnipräsent.

Wer blieb auf der Strecke? Wer sitzt jetzt verängstigt zu Hause, schreibt #allmanaretrash auf Twitter, weil er sich nicht mehr nachts in Parks traut? Wer sitzt in den Kommentarspalten und pöbelt besinnungslos gegen alles Fremde? Wer freut sich, dass das Polizeigesetz endlich einmal eine handfeste Sache ist um “dem Feind” zu begegnen?

Wer ist dieser Feind? Ist es Ahmed um die Ecke? Seine Schwester mit Kopftuch? Ist es der Somali, der im Mittelmeer ersäuft? Oder ist es der Terror in unserem Kopf, der ungreifbare Schatten der Angst, der uns alles gute, humanistische und kern-europäische vergessen lässt?

Ist es nicht viel mehr die Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit einer zerfallenden Weltordnung? Ist es in diesem Kontext sinnvoll, ebenso verängstigte Gestalten mit mehr Macht auszustatten. Teilweise mit einer Macht, die kein Individuum besitzen sollte oder darf – weil es eben aus gutem Grund – im Widerspruch zu unserer Verfassung steht?

 

Und wenn die Angst unser Feind ist, wie bekämpft man sie? Als aller Erstes hilft eine alte Weisheit eines amerikanischen Präsidenten. “The only thing we have to fear is fear itself.”

Wenn dann wieder ein wenig Vernunft und Besonnenheit in den Köpfen herrscht, dann können wir mal über die Zukunft reden. Und solche Sachen wie #projekt146… Bis dahin, atmet alle mal durch. Schaut euch um, genießt das Wetter und die Sonne.

 

 

Das Eisen ist überhitzt.

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